Donnerstag, 22. Januar 2009

Aitmatov, "Ein Tag..."

Hallo Ihr Leseratten,

geht es Euch auch so wie mir?
Es gibt so viele schöne Textstellen, bei denen ich es schade fände, wenn nur ich sie lese. Bzw. ich sie nicht lese.

Deswegen dieses Kapitel "Buchtipps" über Bücher, die ich Euch einmal vorstellen möchte, weil sie mich beeindruckten.
Viel Vergnügen wünsche ich uns.

Euer Jo



Ich mach' gleich mal den Anfang mit einem Auszug aus: Tschingis Aitmatow "Ein Tag länger als ein Leben"; Unionsverlag Taschenbuch 262, S.181-182; Zürich 2003, den ich aus schon erwähntem Dokoland Forum inkl. eines kurzen Dialoges herauskopierte:

»Früher hinterließen die Menschen ihren Kindern ein Erbe. Das konnte ihnen Glück bringen oder Unglück - je nachdem. Wie viele Bücher und Märchen, wie viele Theaterstücke erzählen von jenen Zeiten, berichten, wie man die Hinterlassenschaft teilte und was dann aus den Erben wurde. Und warum? Weil diese Erbschaften größtenteils aus unrechten Quellen stammten, aus fremder Not und fremder Arbeit, aus Betrug; so bargen sie von Anbeginn Unheil in sich, Sünde und Ungerechtigkeit. Ich aber tröste mich damit, daß uns das, Gott sei's gedankt, erspart bleibt. Mein Erbe wird keinem Schaden bringen. Es wird nur aus meinen Gedanken bestehen, aus meinen Aufzeichnungen; in ihnen aber steckt alles, was ich begriffen, an Einsichten mitgebracht habe aus dem Krieg. Einen größeren Reichtum für die Kinder besitze ich nicht.
Hier in der Steppe ist mir das klargeworden. Das Leben hat mich hierher abgeschoben, damit ich untergehe, verschwinde, ich aber schreibe für sie alles nieder, was ich denke und was mir durch den Kopf geht; und in meinen Kindern werde ich irgendwann einmal weiterleben. Was mir nicht vergönnt war, werden sie vielleicht erreichen. Ihr Leben aber wird noch schwerer als unseres. Also mögen sie den Verstand schärfen von Jugend an.«

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander, ein jeder in seine Gedanken vertieft. Sonderbar erschienen Edige derlei Reden. Ihn überraschte, daß man den Sinn seines Lebens auch so auffassen konnte. Trotzdem beschloß er, sich Klarheit zu verschaffen über das, was ihn verblüffte: »Alle denken, und so sagen sie auch im Radio, unsere Kinder würden es einmal besser und leichter haben als wir, du aber meinst - schwerer. Wohl weil ein Atomkrieg kommt?«

»Nein, nicht nur deshalb. Krieg wird es vielleicht keinen geben, und wenn, dann nicht so bald. Nicht vom Brot ist die Rede. Das Rad der Zeit läuft einfach immer schneller. Sie werden alles selber mit ihrem Verstand erfassen müssen und sich zum Teil rückwirkend auch für uns verantworten. Denken aber fällt immer schwer. Darum wird es für sie schwieriger sein als für uns.«

Nachtrag vom 12.06.08: Aitmatov starb vor wenigen Tagen in einer Klinik in Nürnberg an einer Lungenentzündung.

Hallo Jo!

Du kennst Tschingis Aitmatow?

Ich "musste" in der Schule "Dshamilja" lesen,am Anfang war ich stinksauer,aber dann....
Eine der schönsten Liebesgeschichten der Welt ist meine Meinung.
Ich habe dieses kleine Büchlein dann noch mehrmals gelesen,einfach genial!

Super das du so eine Seite aufgemacht hast!

Danke Dein Tash!


Gern Tash,

wenn Du glücklich bist, bin ich's auch.-)). Leider hab' ich dieses mein erstes Buch von Aitmatov noch nicht durch, also von ihn Kennen kann ich nun wirklich nicht reden. Allerdings hab' auch ich schon davon gehört, dass es nicht nur Dir so geht mit Dshamilja, sondern diese Liebesgeschichte wohl allgemein als schönste empfunden wird. Ich hatte mir schon vorgenommen, sie auch noch zu lesen.

Apropos Liebe:
soweit ich mich zurückerinnern kann, das erste mich auch heute noch beeindruckende Zitat ist folgendes (dafür brauche ich noch nicht mal meinen neuen penny+brother-sei-dank-scanner bemühen):

J.M.Simmel "Es muß nicht immer Kaviar sein", Knauer Taschenbuch 29, 6. Auflage, S.91, Zürich 1964 (auch kürzlich verstorben, ja ja, die Einschläge kommen näher):

..., und sie beendeten ihre Affäre so, wie sie sie begonnen hatten und wie alle Liebenden ihre Affären beenden sollten: in Liebe.

Dein Jo

(inkl. Kommafehler zwischen "hatten" und "und" - jedenfalls nach damals gültiger Rechtschreibung*ssffgg)

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