Samstag, 21. August 2010

die durchschnittliche Wahrheit

Eigentlich ist es ein ganz einfacher Sachverhalt; zu einfach, als dass er eigentlich wahr sein könnte. Also erste einschränkende Vorbemerkung: Nachfolgendes nur vorbehaltlich meines möglichen Miss- oder Unverständnisses.

Und ebenfalls zu einfach, um es einfach ausgedrückt nicht zur populistischen Lüge werden zu lassen. Dementsprechend also meine zweite einschränkende Vorbemerkung: ebenfalls vorbehaltlich Eures Miss- oder Unverständnisses.

Und 3. liegt wie immer der Hase im Detail begraben, die einfache, zu einfache Binsenweisheit hat Voraussetzungen, Bedingungen, die sie erst wenn überhaupt wahr und nicht falsch sein lassen. Und diese werden allzu gern und allzu rasch und immer noch nicht rasch genug vergessen. Weil Mensch will ja klug sein, gerade wenn er damit am besten seine Dummheit dem Vergessen anheim stellt!

Wie gesagt, sofern Ihr und ich das nicht falsch verstehen, zeigen entsprechende Experimente, dass große Gruppen im wesentlichen unwissender Menschen im Durchschnitt ihrer Aussagen, Meinungen und Entscheidungen der Wahrheit, der Angemessenheit an eine virtuell (also nur gedanklich, illusionistisch möglichen) menschenunabhängigen Realität sehr nahe, also erst bis auf eine - sofern in Zahlen fassbar - sehr kleine und meist vernachlässigbare Nachkommastelle heran kommen. Mensch sieht also: selbst so ein einfacher Sachverhalt bedarf eines endlosen Satzes, um die Lüge in ihm weitgehend auszuschließen.

Dieser Satz ist mathematisch schon bekannt als "Gesetz der großen Zahlen." Welches besagt, dass erst mit einer großen Zahl gleichwahrscheinlicher, zufälliger Ereignisse die relative Häufigkeit eines Einzelfalles sich der errechenbaren, objektivierten, allgemeingültigen Wahrscheinlichkeit annähert. Oder beispielhaft einfacher ausgedrückt: Man muss mindestens zweihundert Mal mit ein und demselben Würfel würfeln, damit das tatsächliche Ergebnis, jede Augenzahl auch annähernd genug einen 1/6 Anteil an der Gesamtzahl der Ereignisse hat, als Nachweis für die Güte, die Wahrhaftigkeit des Würfels dienen kann.
Bis hierher also erst einmal theoretische Philosophie.


Praktisch interessant ist jedoch, dass dieser Satz, der eigentlich für zufällige Ereignisse gilt, ebenfalls Gültigkeit für willentlich zu steuernde und gesteuerte Menschen (deren Meinungen, Ansichten, Entwicklungen, Entscheidungen) hat. Also nicht ein klar und objektiv vom Menschen unabhängig bestimmbares, ausrechenbares Kritierium oder eine endliche Menge davon die Entscheidungen der Menschen, bzw. deren Aussagen als wahr oder falsch erklärbar werden lässt, sondern erst die obwohl willentlich getroffen und trotzdem zufällig erfolgten sich einer tatsächlichen Wahrheit zumindest als Durchschnitt - also als Summe aller Wahrnehmungen geteilt durch Zahl aller Wahrnehmenden - weitestgehend annähert.

Da ich in letzter Zeit ja so über Demokratien hergezogen bin, schien mir das erwähnenswert; nicht zur Ehrenrettung besagter Demokratien, sondern um zu begreifen, wie un- UND berechenbar einzelne Menschen auch in ihrer Gesamtheit sind, um vielleicht ja somit dann auch der Menschheit angemessene Organisationsformen zu finden. Also der populistisch vereinfachte Satz, eine genügend große Zahl von Kreuzen wird schon den/die richtige/n Stellvertreter/in in ein Parlament wählen, so ja die Definition unseres Staatswesens, die Hoffnung unserer eigenen als hoffnungslos eingestuften Dummheit, die ja Stellvertreter erst erforderlich macht, also dieser Satz lässt sich natürlich als Argument für unsere demokratisch parlamentarische Stellvertreterorganisation anführen. Mal abgesehen von den mathematisch ja schon gefassten und geklärten Vorbehalten dieses Gesetzes der großen Zahlen (z.B. gleichwahrscheinliche Ereignisse vorausgesetzt), auf die ich ja noch den eigentlichen Wert legen werde, der für mich in dieser bisher sehr banalen Binsenweisheit steckt, ist also ein Detailteufelchen des menschlichen und unmenschlichen, in Staaten organisierten Miteinanders die Voraussetzung des Ortes einer Kreuzerrichtung: Wahlurne für Stellvertreter oder doch lieber Friedhöfe für diese? Also der ewige Ärger mit dem Kreuz ist der Wunsch, irgendeiner der eigenen Stellvertreter sei göttlicher oder zumindest weniger teuflisch als man selbst! Verbunden mit dem haarsträubenden Versuch, sein eigenes, gottgleiches oder zumindest gottähnlicheres, jedenfalls noch wirklich und wahrhaftig menschlich zu seiendes Sein, Leben zu schützen, indem man ein anderes, teuflischer zu seiendes, menschliche Leben vernichtet. Also diese vermeintliche Dumm- oder Klugheit, Stärke oder doch nur menschliche Schwäche, sich selbst als Mensch zu Göttern aufschwingen zu wollen, indem man gleichzeitig Menschen als Teufel deklariert und dann tötet, ist die wirklich und wahrhaftig überlebensfähige, menschliche Realität?

Womit wir dann schon bei einer zweiten Folgerung wären: Ergebniskritik mag kritisch sein, denn ein vermeintlich falsches, ungewolltes Ergebnis kann ja auch auf eigentlich richtigen Wegen erzielbar sein. Jedoch gilt für mich nun mehr unumstößlich: ab einem bestimmten Ergebnis (und meine Messlatte wird bestimmt vom Überleben der Menschen, also die Zahl der lebenden abzgl. die der Leichen, sowie einen prognostizierbaren Trend) wird es eher kritisch, einen über Berge von Leichen - auch wenn zum Dach der Welt - führenden Weg als richtig einzustufen. UND wenn dieser dann als demokratisch legitimierter Weg angeboten oder gar damit begründet wird, scheint ein dies Ergebnis ermöglichendes, demokratisches Verständnis immer kritischer und somit notwendigerweise auch immer kritikwürdiger zu werden. Also die durchschnittliche Wahrheit wird immer weniger von der Mehrheitsmeinung, den mehrheitlichen Entscheidungen von Menschen erreichbar, ja nicht einmal mehr erkennbar, je mehr Menschen diesen Ansichten und Entscheidungen geopfert werden. Je mehr menschliche Einzelwahrheiten zugunsten einer gewollten Gesamtwahrheit zur Lüge gemacht und eliminiert werden. Oder kurz und auch wieder theoretisch: je weniger Fragen eine Theorie beantwortet, je mehr Fragen von ihr als nicht beantwortbar zugunsten ohnehin nur ausnahmsweise zutreffenden Antworten klassifiziert werden, umso unrealistischer und falscher ist eine solche Theorie. Jede Lüge wird umso glaubhafter aber damit auch umso verlogener, je mehr sie Wahrheiten als Lügen benutzen kann und will!

Denn - und damit kommen wir wieder dazu, lieber Hasen als Menschen zu begraben - jene Experimente zeigen auch deutlich die Grenzen, die Bedingungen und Voraussetzungen solcher populistisch vereinfachten Staats- und Wirtschaftsphilosophien. Die durchschnittliche Wahrheit wird nicht erreicht von Gruppen, die alle das gleiche meinen und entscheiden. Die Intelligenz einer Gruppe, als Gruppe zu wissen, was wahr ist und richtige, weiterführende, angemessene Entscheidungen zu treffen, und das, ohne es eigentlich zu wissen, hängt von ihrer Vielzahl der unterschiedlichen Meinungen und Ansichten ab.
Stichwort: Pluralismus!
Aber noch viel weiter gefasst, als deutsche Politiker es jemals erkannten und benutzten. Und weswegen es jetzt lieber nicht mehr benutzt wird, denn mittlerweile dient der Begriff eher als Zeichen von Unfähigkeiten vermögender Einzelner, die ja aber lieber als Supermänner und -frauen gewählt werden möchten. Also selbst eine Gruppe, wie alle Deutschen, alle Europäer, alle Marktwirtschaftler, ja selbst alle Christen ist viel zu homogen, als dass sie auch nur durchschnittlich im Besitz einer angemessenen Realitätsbeschreibung sein kann. Geschweige denn als einzelne oder einzelner VertreterIn dieser Gruppe. Noch mal zur Verdeutlichung: Wahrheit kann nicht sein, was die Mitte oder Linke oder Rechte als wahr kolportiert! Im Gegenteil: je mehr eine Partei, eine Staatsform, eine Nation, eine Minderheit sich zu Mehrheit aufschwingt, was dann ja als Erfolg, als Sieg, als Vermögen, als Stärke, als mehr Recht und weniger Unrecht angesehen wird, je weniger Menschen für immer mehr Menschen bestimmen, was wahr ist UND zu sein hat, umso mehr verkommt die Menschheit an sich zur Lüge! Werden zu Dinosauriern: einstmals ja wahr, aber heute schon lange nicht mehr! Umso weniger werden Menschen überleben können, indem sie sich Realitäten anpassen, je einseitiger sie Realitäten als real ansehen! Ja sie werden sogar mit diesem Glück ihrer Stärken immer dümmer, sich oder andere und anderes überhaupt als Realität noch wahrnehmen zu können.

Also meine auch somit experimentell begründete Ansicht, wonach wenn überhaupt alle Menschen zusammen wenigstens durchschnittlich wissen können, was wirklich Sache ist, diese Hoffnung wird immer unwahrscheinlicher zu erreichen sein, je mehr Menschen zusätzlich zu allen anderen, gerade auch den unvermeidlichen Verlusten un- oder mittelbar durch wie verrückt arbeitende, schaffende, fleißige Hände von Menschen getötet werden. Wir machen uns mit jedem menschlichem Opfer grundsätzlich immer um Wissen ärmer. Und das umso mehr, je mehr ein menschliches Individuum sich individuell bereichert, also das individuelle Vermögen gelöst wird vom Vermögen der menschlichen Gesamtheit! Es sollte zugunsten eines gemeinsamen Vermögens zum Leben also niemals darum gehen, wie das Vermögen eines Menschen das Vermögen eines anderen Menschen verkleinert. Sondern immer darum, dass das Vermögen eines Menschen auch immer damit wächst, wenn es das Vermögen anderer oder gar das ohnehin als gemeinsam anerkannte vergrößert!

Ihr Vermögen, durch Wahrnehmung zur Wahrheit zu finden, nehmen sich Menschen dann selbst, wenn sie Menschen dieses gemeinsame Vermögen wegnehmen, Dinge MÖGLICHERWEISE, ZUFÄLLIG UND deswegen gerade umso WAHRSCHEINLICHER besser als andere wahrnehmen zu können. Denn erst mit dieser Sicherheit aller Einzelvermögen wird die Wahrheit auch mit Menschen dann wahrscheinlich!

Oder noch viel kürzer: Mord ist IMMER Selbstmord! Egal an welcher Urne!

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