Ich weiß nicht, ob Frank Schätzing diese Frage im Sinn hatte, als er von mir als Buchtipp nachfolgend vorgestellten Kurzkrimi verfasste. Jedenfalls halte ich ihn dafür! Und nicht nur das, sondern auch und noch darüber hinaus deswegen, weil er von Menschen dafür erwählt wird!
Aber vielleicht war es auch nur göttlicher Zufall, dass ich schon lange mal wieder ein Buch vorstellen wollte und just in diesem Moment meines Gedankenflusses dieses las? Oder war es doch nur das Zusammenspiel des Wollens meiner Liebsten mit den Hamburger öffentlichen Bücherhallen, die nicht zuletzt Geringverdienern erträglichen Zugang zum allgemeinem Gewinn der Menschheit (zumindest des deutschmächtigen und/oder intelligenter Transferleistungen würdigen Teils) ermöglichen?
Ich weiß, Frank, dass Du des Trostes ob entgangenen Gewinns nicht bedarfst! Aber welch größeren Gewinn kann es für Dich als ein Hauptgewinn menschlichen Wesens geben als der, den ich Dir verspreche, noch bevor ich meinen ersten Lohn meines 1-€-Jobbes in Händen halte, Dein neuestes Buch zu kaufen? Falls es das ist, in dem Du uns von unseren Sternen erzählst?
(aus: Frank Schätzing, "Keine Angst", hier "Ertappt", S. 275-277, Goldmann Taschenbuch Nr. 45923, 1. Auflage, München, Juni 2007):
Der Kommissar richtet mit sinistrem Blick seine Pistole auf mich. Mir wird das irgendwie zu bunt. Schon hat er keine Pistole mehr.
»Ich habe keine Pistole mehr«, sagt der Kommissar folgerichtig mit hängender Kinnlade.
»So, so«, grinst P. voller Ingrimm und tritt mutig ein Stück vor, dorthin, wo er mich am Laptop vermutet. »He, Schriftsteller! Wen willst du als Nächstes verschwinden lassen, Attila von einem Literaten? Aber zu spät, wir sind dir auf die Schliche gekommen, Unhold. Wir wissen, dass wir nur Figuren in deiner Geschichte sind. Doch freu dich nicht zu früh; die Zeiten sind vorbei, da Schriftsteller nach Belieben Hinz und Kunz durch dick und dünn jagen konnten. Ihr habt nur Leid über die Welt gebracht! Warum durften Romeo und Julia nicht leben, warum hatte der Glöckner von Notre Dame einen Buckel, das arme Schwein, warum — festhalten!«
Das Übliche. Es wankt und rumpelt.
»... ist die edle Desdemona des Mohren Wahn geopfert worden? Alles nur, weil ihr es wolltet in eurem Überdruss, gelangweilt vom Gleichmaß der Welt oder sie beklagend für erlittenes Unrecht. Was können eure Helden dafür, wenn ihr nichts zu beißen habt oder zu viel davon und dafür zu kleine Eier. Und jetzt der Tünnes, ein harmloser Protagonist rheinischen Frohsinns. Mordbube!«
Der meint mich! Wie er es ausspuckt, das Wort. Ganz wie die Amerikaner einen Kaugummi in die Gosse speien.
»Der Tünnes ist tot?«, röchelt W. M. in verspäteter Fassungslosigkeit und besinnt sich — er, der dem Tünnemann so oft Gestalt verlieh — erzitternd seines öffentlich-rechtlichen Gnadenkommissariats.
»Dann ... dann fordere ich den Autor, wer immer Sie auch sein mögen, junger Mann, nachdrücklich auf, mit erhobenen Händen ... «
Augenblick mal, Jungs. Wenn die Geschichte weitergehen soll, lasst den Quatsch mit den erhobenen Händen, sonst kann ich nicht schreiben.
»Blöde Ausrede«, knurrt der beleidigte, weil entwaffnete Kommissar.
»Nein, er hat recht.« P. stemmt die Arme in die Hüften. »Also, Bursche, verantworte dich.«
Was, ich?
»Wer sonst! Sag bloß, du hättest nicht allen Grund dazu. «
Kreuzdonnerwetter! Also gut, ja, zugegeben, ich habe euch benutzt. Aber doch nur, verdammt noch mal, weil ich nicht mehr weiterwusste! Ich hab den Tünnes nicht umgebracht, ich schwör's.
»Wer dann? Du lügst doch wie gedruckt. Der Mörder ist immer der Autor, das ist bewiesen.«
Blödsinn! Philosophendelirium!
Auch meinen Dank Dir und Deinen Eltern dafür, es nicht bei einer Kurzgeschichte belassen zu haben!
Nachtrag:
AntwortenLöschenEtwas später a.a.O. stellt F.S. dann die Frage: Wo kommen wir hin, wenn die Kreaturen gegen ihre Schöpfer rebellieren?
Ja wohin? frage ich Euch. Wohl gar zum kreativem, schöpferischem statt zum kreatürlichem, ertragen müssendem Mensch Sein?