Montag, 21. Januar 2013

Spielend leben

Der Blogtitel deutet es ja schon an; ursprünglich hatte ich sogar vor, noch näher am Spiel Doko dran zu sein. Nun, für die eigentlichen Dokoweisheiten gibt's bessere Foren, mittlerweile sogar Doko-Wikis, in denen sie konzentrierter konsumiert werden können, blieb somit hier nur mit einigen Ausnahmen das Leben.

Dem aufmerksamen Leser, zumal wenn er/sie/es mich persönlich kennt, wird jedoch nicht entgangen sein, dass zwischen dem Spiel und dem, mindestens jedoch meinem, Leben systematische Strukturgleichheiten existieren. Und zwar bidirektional, also sowohl solche, die Rückschlüsse vom Leben aufs Spiel wie auch die, die Erkenntnisse vom Spiel aufs Leben übertagen lassen.
Also:
deutsches Doppelkopf - außer uns spielt es so gut wie niemand sonst auf der Welt - spiegelt unser deutsches Sein ebenso wieder wie unser Sein auch dieses Spiel.

Der Gedanke, das Leben sei ein Spiel, ist ja nun wirklich nicht originell. Egal wie weise er auch sein mag. Diese wohl doch eher zu kurz gegriffene Ansicht scheitert regelmäßig schon daran, dass Mensch zwar ein Sch...Spiel nicht mitspielen muss, ein Sch....Leben aber schon gar nicht spielerisch bewältigen kann. Insofern ist die unbedingte Gleichsetzung von Spiel und Leben nur in Ausnahmefällen zutreffend.

Analogien, Spiegelbilder des einen zum anderen trifft es daher besser. Ein augenfälliges Merkmal eines einzelnen Dokospiels besteht darin, das es für sich genommen nichts zählt. Erst das Weiterspielen,das neu Mischen, neues Spiel = neues Glück, bringt den wenn überhaupt vorhandenen Spaß. Ein Leben mit schlechten Karten hingegen wird nicht neu vergeben, auch keines mit guten. Eine Analogie zwischen Leben und Spiel kann also nur zwischen wiederaufstehen bzw. einfach weitermachen und neu geben gesehen werden. Da also ein einzelnes Spiel viel weniger zählt als ein ganzes Leben oder auch nur Teilabschnitte davon, in denen man selten zwar aber doch nicht nie einen Neustart hinbekommt, andererseits aber im Leben wie im Spiel die Karten nunmal genauso und nicht anders vergeben sind, ist es also sehr viel leichter und bei weitem risikoärmer im und mit dem Doko Dinge zu versuchen, zu probieren, zu tun, wovon man überzeugt ist, dass es richtig sei als im wirklichen Leben.

Für mich besonders interessant, bemerkenswert, eben was mich immer wieder das Deutsche am Doko betonen lässt, ist der Anspruch, einem stehen schon aus Fairness und Gerechtigkeit auch mal gute Karten zu. Und wenn dies nicht gewährt wird, kann nur die Mische fehlerhaft, wenn nicht gar betrügerisch sein. Es sitzen pro Spiel vier Leute zusammen, die alle ein gutes Blatt haben möchten. Man kann sich also die Wahrscheinlichkeiten zumindest annähernd gut ausrechnen, wieviel Hoffnungen trügen und wieviel guter Glaube wahr wird.

Kartenspiele haben alle dieses Analogie zu unserem Leben. Was ja durch diese schon sprichwörtliche Verteilung der Karten auch in Lebenzusammenhängen deutlich wird. Das Schicksal, Gott oder wer auch immer mischt diese und hat mir meine gegeben. Im Leben wie im Spiel. Nun gibt es jedoch ein Kartenspiel, das ganz bewusst und willentlich trotz einer schicksalshaften Verteilung Wert und Belohnung auf Können, bzw. Bestrafung auf nicht Können legt. Also dem eigentlichem Menschlichem Anspruch, mit Können das Schicksal zu besiegen statt aufs Glück vertrauend sich hinters "wird schon gut gehen" verstecken. verstärkt entgegen kommt. Ein Spiel, bei dem eben auch schlechte Karten durch korrekte Verhaltensweisen belohnt werden und gute Karten kaum noch schlechtes Spielen verzeihen.

Leider ist dieses Spiel nicht Doppelkopf. Das nämlich belohnt Glück trotz spielerischer Mängel. Und bestraft Pech trotz eigener genialer Glanzleistungen plus spielerische Mängel der Gegenseite.
Eben wohl typisch deutsch?
Und wie auch im deutschen Leben wird auch im Spiel sich über das Glück gefreut. Aber mehr noch: die ohnehin Glücklichen wollen ihr Glück auch noch als Verdienst prämiert sehen. Schließlich haben sie sich das ja verdient.

Dabei stellt sich im Leben wie im Spiel doch immer nur die Frage:
Was habe ich aus den Karten, die ich bekam, gemacht? Noch Besseres aus guten und weit weniger Schlimmes aus schlechten? Denn das wäre doch die belohnenswerte Leistung eines Menschen.
Nie die Frage: wie wird mir mein Glück oder ggf. mein Pech honoriert.

Es ist schon bemerkenswert und drängt sich als Analogie förmlich auf, wie wenig Deutsche ihr deutsches Doko dahin gehend verändern wollen, weniger aufs Glück und mehr aufs Können angewiesen zu sein. Doko hat das Potenzial, das zu können. Was auch dafür spricht, das es in diese Richtung entwickelt werden sollte.

Dafür haben wir allerdings nie schlechte Karten genug. Tatsächlich haben wir das sagenhafte Glück, lieber über Pech, also mangelndes Glück zu jammern, ja sogar Betrug zu wittern, statt glücks- und damit auch pechfreier durch Können und Wissen spielen wie leben zu wollen.

Im Spiel wünschen ich allen - auch mir! - erheblich mehr Pech! Denn nur dann lernen wir vielleicht ja mal was.
Im Leben dies zu wünschen, ist unnötig. Wir leben und haben damit von vorn herein Glück gehabt. Allerdings scheint mir es doch dringend hilfebedürftig, unser Glück. Denn bislang hatten und haben wir soviel Glück, dass wir es mit Füßen treten.

Was machen Menschen bloß mit ihrem selbst totgetrampeltem Glück?  Lernen sie im Leben dann noch, wenn sie nunmehr pechhabend dieses verlieren?

Did I ask too much? More than a lot?
You gave me nothing, now it's all that I got!
aus dem Lied "One" (One love, one life...)

Nachtrag vom 5.2.2013 und gerade gelesen in Schätzings "Der Schwarm",
(S. 512, FfM, Nov. 2005):
Man lernte, dass einem das eigenen Leben selbst gehörte, dass man
Einfluss darauf hatte. Aber als er gegangen war, hatte sie erkennen
müssen, dass ihr nichts gehörte und dass Selbstbestimmung pure
Illusion war. Sie hatte argumentiert, gefleht, geschrien, Verständnis
gezeigt, geduldig zugehört und Rücksicht erbeten, alle Register ge-
zogen, um am Ende doch zurückzubleiben, machtlos, entmachtet,
rausgeworfen aus dem gemeinsamen Leben wie aus einem fahrenden
Zug. Aller Kraft beraubt hatte sie aufgehört zu glauben, dass An-
strengung etwas bewirkt. Sie hatte verloren. Das Leben war ein
Glücksspiel.

Nicht nur diese Analogie zwischen (Glücks-)Spiel und Leben beschreibt Schätzing hier. Mehr noch verdeutlicht auch er, weswegen ich dafür plädiere
 - zum Mitschreiben -
Glaube
Hoffnung
Recht
Unrecht
Illusion
und 
Heuchelei
zukünftig doch besser und immer nur noch als Synonyme zu gebrauchen. Sollte Mensch denn niemals und noch besser auf diese zweifelhafte Nutzungen und Nutzen verzichten können.

1 Kommentar:

  1. Um Missverständnisse auszuschließen:
    Selbstverständlich habe ich nichts gegen Hoffnung oder Glaube. Oder gar Glaube an Gerechtigkeit. Auch Illusionen sind grundsätzlich etwas Gutes: ermöglichen doch gerade sie halbwegs gefahrlos, die Welt mit anderen, nur eben leider falschen Augen zu sehen.

    Im Gegenteil: ich vermute, die Menschheit wäre längst schon ohne diese ausgestorben. Es sind einfach zu wenig Menschen an sich zu dumm, um nicht mit Erreichen der Volljährigkeit Selbstmord zu begehen. Gerade also etwas klügere Menschen benötigen diese geistig-seelischen Werkzeuge zur Gesundheitsvorsorge.

    Ich weise eben nur auf die damit - wie mit jeder lebensrettenden Arznei - verbundenen Nebenwirkungen hin. Ist eben schwierig; wen soll man denn noch fragen, wenn man Gott, Allah, Papst und Merkel zu Arzt oder Apotheker macht!

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